„Wir wollten halt den Besten“

Um einen neuen Mitbewohner für das Zimmer in Eppendorf zu finden, organisiert Ben Eggers* mit seinen zwei Mitbewohnern ein WG-Casting – bewappnet mit Fragebögen und Polaroidkamera.

„Was bringst du mit in die WG? Warum sollten wir ausgerechnet dich nehmen?“ steht auf den Zetteln, die Mathematikstudent Ben Eggers den fremden Menschen in seiner Wohnung in die Hand drückt. Alle Bewerber sind potenzielle Mitbewohner. Um kein Gesicht zu vergessen, wird von jedem ein Polaroidfoto gemacht, mit einer Nummer versehen und dem Steckbrief zugeordnet.

Lisa Krüger*, circa 1,70 Meter groß und blond ist Nummer 31. Mit einem Kugelschreiber ergänzt sie Sätze wie „Ich bin…“ und „Ich wollte schon immer mal…“ Zum Schluss muss sie sich noch in das vorgesehene Kästchen oben rechts in der Ecke selber malen. Damit soll getestet werden, wie kreativ die Bewerber sind. „Wem das zu blöd ist, der passt hier eh nicht rein und ist gleich draußen“, betont Eggers die Spielregeln.

„Eine Stunde nachdem wir die Anzeige ins Netz gestellt haben, riefen schon 30 Leute an“, sagt der 22-Jährige. „Dann haben wir erstmal eine Sperre gemacht.“ Alle Anrufer wurden zu einem offenen Wohnungsbesichtigungstermin am nächsten Tag eingeladen. „Wer keine Zeit hatte, der hatte Pech.“ Schließlich könne man sich nicht für jeden einzelnen Kandidaten Zeit einräumen.

Am Abend entscheidet die Jury. Zu dritt sitzen die Entscheider am runden Küchentisch und wühlen in den Steckbriefen. Auf der Rückseite jedes Fragebogens ist bereits eine Tabelle gedruckt, in der die Jury nach bestimmten Kriterien Sympathiepunkte vergeben kann. Zwei dieser Kriterien sind zum Beispiel „Aussehen“ und „Charakter“. Für jede Kategorie wird ein Kreuz bei Plus, Minus oder Neutral vergeben. „Es macht schon Spaß in der Jury zu sitzen und zu entscheiden“, sagt Eggers, während er das nächste Bier öffnet. „Manche Bewerber haben geklingelt und wir hätten am liebsten gleich die Tür wieder zugemacht“, sagt Eggers und fängt laut an zu lachen. Sieger des Castings ist Susan – „sie hat sich nicht verstellt“. Warum sie sich nicht einfach für denjenigen entschieden haben, der allen auf Anhieb sympathisch war? „Wir wollten halt den Besten.“

* Name geändert

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Eine Antwort zu „Wir wollten halt den Besten“

  1. Michael schreibt:

    Wenn ich solche Geschichten höre, bin ich froh, dass wir unseren letzten Mitbewohner über WGcast (http://www.wg-cast.de) gesucht haben. Wir haben nur sympathische Kandiaten eingeladen und konnten auf diese komischen Rituale verzichten.

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